Musik ist eine Sprache

Das Problems des Nachschaffenden
Für wen machen wir das eigentlich?

Musik ist ein natürlicher Bestandteil des Lebens. Sie fasst Rhythmen zusammen und drückt Gefühle aus. Emotionen werden vereint mit objektiven harmonischen Gesetzen. Musik ist eine Sprache, die dort beginnt, wenn Worte nicht mehr ausreichen, die verstanden wird, wenn die Vokabeln fehlen. Musik spricht das ganz Persönliche in uns Menschen an, trifft eine Ebene, wo wir plötzlich angreifbar, verwandelbar sind, ja oft sogar friedlich werden. Nicht umsonst zahlen Menschen auch im Zeitalter der unendlichen Repetitionsmöglichkeiten mitunter horrende Beträge, um Konzertkarten zu erhaschen. Nicht ohne Grund nehmen sich Menschen Zeit, stundenlange Opern und Sinfonien zu hören, obwohl sie im Alltag dem Zeitmanagement einen hoffnungslosen Kampf angesagt haben. Musik hat also für den Einzelnen einen Stellenwert, den er vielleicht gar nicht zugeben oder für sich selbst erklären kann. Melodie, Harmonie und Rhythmus entsprechen tiefen Schichten in uns und bringen diese in Schwingungen. Die Seele wird „durchgeschüttelt“ und „durchgespült“. Nach dem Konzert oder der Oper fühlt sich der Zuhörer innerlich erfrischt, entspannt und ausgeglichen.

Der Interpretaionskodex

Wie ist es aber nun mit dem Musiker? Der arme Kerl darf sein ganzes Leben opfern um dem Konzertbesucher ein Glückserlebnis zu ermöglichen. Wie? Geht es denn nicht um die Musik schlechthin? Und: Ist es das Opfer nicht wert? Um die Musik an sich geht es wohl eher bei Stilrichtungen wie Jazz oder Folkmusik, wie z. B. Kleszmer, wo die Musiker nacheinander frei über bestimmten Elemente improvisieren. Ja bei diesen Musikrichtungen darf der Musiker auf der Basis seines Handwerkszeugs frei seine Seele entfalten und gleichzeitig zum Erlebenden und erlebbar Machenden werden. Das Musikstück entsteht während des Spielens. In der Barockmusik war es nicht viel anders. Auch hier wurde über festgelegten Akkorden improvisiert. Diese Praktik ist im klassischen Sektor jedoch über die Jahrhunderte verloren gegangen. Ein Interpretaionskodex  hat sich heraus entwickelt, der den „Geniestreich“ konserviert erstarren lassen hat. Eine klassische Komposition ist schon fertig.
Sie wurde bei ihrer Entstehung einmal als genial, gut oder wie auch immer hochqualitativ anerkannt. Von diesem Moment an muss diese Komposition dann immer genauso erklingen wie einst festgelegt.

Der Zauber des Augenblicks

Aber war es nicht auch zur damaligen Zeit der Zauber des Augenblicks, der den „Geniestreich“ so bedeutend erscheinen ließ? Der nachschaffende Musiker muss sich genau von der anderen Seite an die Musik heranpirschen. Dabei hat er weniger Möglichkeiten, dies tatsächlich zu tun, als viel mehr zu versuchen, den Notentext wiederzugeben und die Erwartungen derer zu erfüllen, die sich schon vorher mit der Materie auseinandergesetzt haben. Es geht dabei dann am allerwenigsten mehr um die Musik, obwohl dies niemand zugeben wird. Es geht nur noch darum, diejenigen zu beeindrucken, die bezüglich der eigenen künstlerischen Laufbahn das Sagen haben. Professoren, Manager, andere Musiker. Das Publikum wird nicht gefragt. Jedenfalls nicht ehrlich. Denn auch das Publikum ist manipuliert und weiß genau, wie ein Stück „zu klingen hat“. Auffällig ist, das Nachkommen berühmter Musiker oftmals für sich genommen blasse, unscheinbare, ja geradezu unglücklich wirkende Geschöpfe sind. Bei ihnen ist dann, im Schatten des großen Alleskönners, dem es nachzustreben galt, auch das letzte Fünkchen Spontaneität und Zuneigung zur Musik einem verbissenen Kampf um Anerkennung erlegen. Spiel- und Entdeckerfreude gleich null.
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Wege aus dem Dilemma?

Was ist denn nun noch an Musikhochschulen zu lernen? Am besten: so wenig wie möglich. Denn die einzige Chance, sich erneut die Basis der Musik zu erschließen, ist es für einen jungen Musiker, so unbelastet wie möglich zu sein. Er muss seinen Weg aus Interesse und im Selbststudium gehen und nicht zu Erwartungen gezogen werden, die er nicht erfüllen kann oder will (so er denn danach überhaupt gefragt wurde oder sich diese Frage selbst stellt). Erlauben wir jungen Musikern den direkten Zugang zu Rhythmus, Harmonie und Melodie, möglichst durch ein objektives Partiturstudium und umfassendes Hintergrundwissen zur Epoche und Absicht eines Komponisten. Wenn dann etwas ganz anderes dabei herauskommt, dann gönnen wir es doch dem Publikum. Auch dieses darf auf Neue echt und tief berührt werden, von einer frischen Interpretation und vielleicht unorthodoxen Tempoauffassungen.
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